Im Jahr 2050 dürfte das Wallis 415’190 Einwohner zählen
Im Vergleich zur aktuellen Bevölkerungszahl bedeutet das eine Zunahme von etwas mehr als 60’000 Einwohnern. Diese demografische Dynamik wird sich insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Soziales, Bildung und Energie erheblich auswirken. Mehr Einwohner bedeutet mehr Schüler und Jugendliche in den Schulen, Berufsfachschulen und Hochschulen, mehr Patienten in den Spitälern und mehr Wohnungen und Haushalte, die mit Energie zu versorgen sind. Auch in Bezug auf die Finanzierung der Altersrenten besteht eine grosse Herausforderung, da die Erwerbstätigen immer stärker belastet werden. Der Chef der Dienststelle für Statistik und Finanzausgleich im Departement für Finanzen und Energie, Raphaël Bender, spricht in Zusammenhang mit der Alterung der Bevölkerung ebenfalls von bedeutenden Herausforderungen für den Kanton in den kommenden Jahren.
“Das Verhältnis zwischen der Klasse der Erwerbstätigen im Alter von 20 bis 64 Jahren und der Zahl der Pensionierten im Alter von 65 Jahren und mehr nimmt ein beunruhigendes Ausmass an. Gemäss Hochrechnungen wird die Zahl der Personen im Pensionsalter bis ins Jahr 2025 von gegenwärtig 33,7 % auf 54,2 % ansteigen. Um zu verhindern, dass die Erwerbstätigen die Altersrenten nicht mehr zu finanzieren vermögen, müssen die politischen Strategien in verschiedenen Schlüsselbereichen ausgeweitet werden. Die Migration ist sicher einer dieser Bereiche. Man müsste von der wirtschaftlichen Attraktivität des Landes und insbesondere des Wallis profitieren können und diese finanzielle Belastung auf eine grössere Zahl von Erwerbstätigen aufteilen.”
Das Wallis als Kanton mit internationaler Ausstrahlung
Diese Notwendigkeit der Ausweitung der Klasse der Erwerbstätigen steht einer Stärke der Walliser Wirtschaft gegenüber. Gegenwärtig steht der Kanton in der Schweiz an 4. Stelle in Bezug auf die Gründung von Start-ups. Das Wallis profitiert zudem von einer ungeahnten internationalen Aura. 86 % seines demografischen Wachstums stehen nämlich in Zusammenhang mit der Migration und 70 % der Migration betreffen die Ankunft von Personen aus dem Ausland (im Verhältnis zur interkantonalen Migration).
“Diese Attraktivität beruht auf verschiedenen Faktoren. Es handelt sich um die Lebensqualität in der Schweiz, die touristischen Trümpfe des Wallis und die Steuervorteile, aber auch und vor allem seine wirtschaftliche und industrielle Entwicklung”, führt Raphaël Bender aus. “In den letzten Jahren hat im Wallis in Schlüsselsektoren wie Bildung, Biotechnologie, Gesundheit, Umwelt, Energie und Pharmaindustrie eine entscheidende Wende stattgefunden. Die intensive Entwicklung der Tätigkeit grosser Arbeitgeber wie zum Beispiel der Lonza im Oberwallis bringt das zum Ausdruck. Dieser Wirtschaftspool kurbelt im Übrigen insbesondere aufgrund der Sprache die Migration aus Deutschland an. Auch das starke Wachstum im akademischen Bereich mit neuen Pools wie dem Campus Energypolis und der EPFL Valais Wallis sowie den weitreichenden Tätigkeiten von bestehenden Zentren wie dem Idiap in Martinach trägt bedeutend zu diesem demografischen Aufschwung bei.”
Die Bildung neu erfinden
Die Bildung ist die Schlüsseldimension für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Der Kanton muss diesbezüglich mit den richtigen Instrumenten und Ressourcen ausgestattet sein, um seine künftigen Herausforderungen zu meistern. Für Yves Rey, Chef der Dienststelle für Hochschulwesen im Departement für Volkswirtschaft und Bildung, hat diese Voraussicht und Hochrechnung für das Jahr 2025 in mehreren Bereichen verschiedene unabwendbare Herausforderungen aufgezeigt.
“Nicht überraschend betrifft eine der grössten Herausforderungen die Alterung der Bevölkerung. Mit immer mehr Senioren muss der Kanton, wie auch die Schweiz im Allgemeinen, eine Antwort auf die wachsenden Bedürfnisse in den Bereichen Gesundheit und Sozialleistungen finden. Deshalb ist es wichtig, die Bildungsgänge in dieser Branche aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln. Das wird insbesondere durch vielversprechende Synergien zwischen der öffentlichen Hand und den halbstaatlichen Organisationen ermöglicht.”
Die Bevölkerungsdynamik ist zwar ein zentraler Schwerpunkt bei den Bedenken und Richtungen, die in der Bildung eingeschlagen werden sollen, doch die Energiewende ist es auch. Und in dieser Hinsicht müssen zahlreiche und unterschiedliche Berufsprofile geformt werden. “Um die Wende, die unsere Gesellschaft benötigt, dauerhaft zu schaffen, muss man fähig sein, Ingenieure, aber auch und vor allem qualifizierte Arbeitskräfte auszubilden, damit die Ideen und Pläne vor Ort realisiert werden können”, betont Yves Rey. “Ich bin der Ansicht, dass eine der grössten Herausforderungen im Bereich der Bildung darin besteht, die Qualität unserer Berufsbildung aufrechtzuerhalten. Dieser Ausbildungsweg zeichnet sich im Übrigen auf internationaler Ebene aus.”
Die Migration als unentbehrlicher Hebel
Angesichts der demografischen Entwicklung im Wallis und in der Schweiz sowie der zunehmenden Attraktivität der akademischen Laufbahnen für die Jugendlichen muss in Bezug auf den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften eine vertiefte Reflexion geführt werden. Und in diesem Rahmen spielt die Zuwanderung eine strategische Rolle.
“Wir müssen unsere Politik in dieser Beziehung überdenken”, erklärt Yves Rey. “Um den Mangel an Fachkräften zu bekämpfen, ist auch eine grössere Offenheit oder zumindest eine grössere Flexibilität in Bezug auf die Zuwanderung nötig. Dies betrifft ebenfalls die akademischen Bildungsgänge insbesondere der Eidgenössischen Technischen Hochschulen. Zahlreiche Studienabgänger aus dem Ausland können nach ihrem Abschluss nicht in der Schweiz arbeiten. Das ist nicht der einzige Faktor, der zur Verschärfung des aktuellen Fachkräftemangels beiträgt, aber wir müssen daran arbeiten, dieses Problem zu beheben. Die Schweiz muss für diese Arbeitskräfte ein attraktives Land werden. Das erfordert die Pflege und Weiterentwicklung unserer diplomatischen Beziehungen über die Grenzen der bilateralen Verträge hinaus.”
Berufliche Umschulung und Weiterbildung: die fehlenden Kettenglieder
Bis ins Jahr 2050 muss das Wallis im Bereich der Bildung auch zu einem Kanton werden, der vermehrt Übergänge und Flexibilität zwischen den Ausbildungsgängen und der Berufswelt ermöglicht und unterstützt. Die Möglichkeiten der beruflichen Umschulung, die heute in erster Linie in den Bereichen Dienstleistungen und Technologie bestehen, müssten auch auf die Berufe der Bauwirtschaft ausgedehnt werden. Mit dieser Öffnung könnte nicht nur der Mangel an Arbeitskräften bekämpft werden. Sie würde ebenfalls ermöglichen, die Wünsche und Ziele zahlreicher erwerbstätiger Personen zu berücksichtigen, welche den Arbeitsbereich wechseln und sich konkret für eine Wende einsetzen möchten. Diese spürbare Suche nach einer sinnerfüllten Arbeit steht dem grossen Bedarf an nachhaltigen Bildungsgängen in der Bauwirtschaft gegenüber.
“Für mich ist klar, dass die Palette an Ausbildungen, über die wir im Jahr 2050 verfügen müssen, nichts mit dem aktuellen Angebot zu tun hat”, fügt der Chef der Dienststelle im Departement für Volkswirtschaft und Bildung an. “Allmählich gehen wir zwar in Richtung eines Ausbildungsparadigmas, das die Interdisziplinarität, die Beweglichkeit und Flexibilität in den Ausbildungsgängen und in den Berufslaufbahnen fördert. Aber die Grundlage bildet immer noch ein ziemlich klassisches System, das darin besteht, sich in einem Bereich auszubilden und dann in diesem Bereich zu arbeiten. In Zukunft muss dieses System dynamischer werden. Und in diesem Zusammenhang haben die Wirtschaftsakteure wie Berufsverbände und Unternehmen eine Rolle zu spielen, indem sie zum Beispiel das Angebot an Weiterbildungen weiterentwickeln.”
Ressourcenmanagement als neue Ausgangslage
Als Wasserschloss der Schweiz und sogar Europas befinden sich die alpinen Stauseen bei den Gletscherbecken des Kantons an der Kreuzung zweier grosser strategischer Achsen: dem Schutz der Ressource Wasser und der Entwicklung der Wasserkraft. Und in Bezug auf die « Um den Mangel an Fachkräften zu bekämpfen, ist auch eine grössere Offenheit in Bezug auf die Zuwanderung nötig. » Yves Rey, Chef der Dienststelle für Hochschulwesen im Departement für Volkswirtschaft und Bildung Dossier | 11 Wasserkraft spielt das Wallis eine zentrale Rolle insbesondere bei der Sicherheit der Stromversorgung des Lands während der Winterzeit, um die Abhängigkeit von Stromimporten in dieser Periode zu reduzieren. In diesem Rahmen hat der Bund grünes Licht gegeben, damit acht Walliser Projekte geplant werden können, mit denen die Produktionskapazitäten des Kantons erhöht werden sollen. Diese Projekte – fünf im Oberwallis und drei im Unterwallis – dürften die Stromproduktion während der Wintersaison um 1250 GW/Jahr erhöhen. Gegenwärtig importiert die Schweiz jeden Winter durchschnittlich 6000 GWh aus dem europäischen Markt.
Vorgesehene Projekte: ein Speichersee in Oberaletsch Klein, sechs Erhöhungen von Staumauern (lac de Griesse, Chummensee, Mattmark, Moiry, Toules, Emosson) und der Bau eines neuen Staudamms beim Gornerli oberhalb von Zermatt.
Gletscherschwund mit welchen Folgen?
Die Gletscher sind eng mit der Wasserkraft des Kantons verbunden und ihr Rückgang wird mit grosser Sorge beobachtet. “Die Folgen des Klimawandels gefährden die Wasserkraftproduktion der Schweiz”, betont Emmanuel Reynard, Professor für physische Geografie an der Universität Lausanne und spezialisiert auf Wassermanagement, Gebirgsanlagen und Geokonservierung. “Diese Situation gewinnt in den politischen Diskussionen seit den 2000er- Jahren aufgrund wiederkehrender längerer Dürre- und Hitzeperioden immer mehr an Bedeutung.”
Gemeinsam verändern diese beiden meteorologischen Phänomene die Funktionsweise der Wasserkraft im Wallis. Direkte Folge: der Gletscherschwund, der gegenwärtig vorerst die Tätigkeit der Schleusenwärter intensiviert, da der Wasserzufluss ansteigt.
“Es ist klar, dass der Eisvorrat der Schweiz in den nächsten Jahrzehnten, vor allem in der zweiten Hälfte des XXI. Jahrhunderts, beträchtlich abnimmt”, fügt Professor Emmanuel Reynard an. “Für die Wasserkraft bedeutet dies, dass die Stauseen weniger gefüllt sind oder dass es schwieriger wird, sie zu füllen. Denn die jährlichen und mehrjährigen Wasserreserven, die im Schnee und im Eis enthalten sind, werden abnehmen. Deshalb müssen Infrastrukturen entwickelt werden, mit denen man sich an diese neue Ausgangslage anpassen kann. Denn für die Versorgung mit Wasserkraft werden wir im Wesentlichen auf Schneefall und Regen angewiesen sein.”
Mit ihrem Rückgang legen die Gletscher zudem vermehrt Sedimente frei. Diese Sedimente – hauptsächlich Kies, Sand und Lehm – werden mit dem Gletscherschwund transportiert und lagern sich in den Gebirgsseen und unterhalb der Wasserfassungen ab. Die Folge ist eine Kapazitätseinschränkung. “Es handelt sich aber auch um ein ausgezeichnetes Materiallager, das lokal sicher im Rahmen einer Staumauererhöhung benutzt werden kann. Gleichzeitig wird mit seiner Nutzung auch verhindert, dass sich dieses Material in den Seen ansammelt”, erläutert Emmanuel Reynard abschliessend.